Was als umweltpolitische Maßnahme eingeführt wurde, um fossile Industrien zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen, hat offenbar Betrügern die Möglichkeit eröffnet, mit gefälschten Projekten hunderte Millionen Euro zu generieren – und das mit fragwürdigen Kontrollmechanismen und mangelnder Transparenz.


Inhaltsverzeichnis

Wie funktioniert der Emissionshandel?

Der Emissionshandel ist ein marktwirtschaftliches Instrument, das Unternehmen dazu anreizt, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Unternehmen, die mehr CO2 ausstoßen als erlaubt, müssen CO2-Zertifikate kaufen, um ihre Emissionen zu kompensieren. Diese CO2-Zertifikate werden von der EU vergeben, wobei einige kostenlos bereitgestellt werden. Die Gesamtmenge der zur Verfügung stehenden Emissionsrechte sinkt von Jahr zu Jahr, was die Preise der CO2-Zertifikate tendenziell steigen lässt. Durch diesen Mechanismus wird der Anreiz für Unternehmen erhöht, ihre Emissionen zu senken und in umweltfreundlichere Technologien zu investieren.

Die Funktionsweise des Emissionshandels

Seit 2020 können Öl- und Gasunternehmen in Deutschland ihre CO₂-Bilanz verbessern, indem sie in Klimaschutzprojekte in anderen Ländern investieren. Diese Projekte sollen nachweislich CO₂-Emissionen reduzieren, etwa durch den Einsatz neuer Technologien auf Öl- oder Gasfeldern.

Im Gegenzug erhalten die Unternehmen CO₂-Zertifikate, die sie zur Erfüllung ihrer Klimaschutzverpflichtungen in Deutschland nutzen können. 

Zuständig für die Genehmigung dieser Projekte ist das Umweltbundesamt (UBA). Es legt Wert darauf, dass es sich ausschließlich um neue Anlagen handelt, die zusätzlich zur bereits bestehenden Infrastruktur errichtet werden. Ziel ist es, echten Klimaschutz zu fördern und nicht lediglich bestehende Emissionsminderungen zu zertifizieren. 

Doch Recherchen zeigen, dass dieses System offenbar erhebliche Schwachstellen aufweist – mit dramatischen Folgen.  

Missbrauch mit CO2-Zertifikaten

Die Spur führt nach China

Die Investigation hat die Deutsche Welle in einem Video und einem deutschsprachigen Blogartikel ausführlich beschrieben.

Ein Großteil der genehmigten Projekte wurde in China realisiert – einem Land, in dem die Nachverfolgung solcher Vorhaben oft schwierig ist. Insgesamt genehmigte das Umweltbundesamt 66 Projekte in China mit einem Marktwert von über zwei Milliarden Euro.

Viele davon befinden sich in schwer zugänglichen Regionen wie Xinjiang. Auffällig ist dabei, dass keines dieser Projekte jemals von deutschen Behörden vor Ort überprüft wurde. Stattdessen vertraute man auf Berichte privater Prüffirmen. Es ist daher unerlässlich, spezifische Informationen zu den Projekten einzuholen, um deren Authentizität zu überprüfen.

Betrug zur Co2 China Umweltprojekte

Eines dieser Projekte soll auf dem Shengli-Ölfeld im Osten Chinas realisiert worden sein. Laut den eingereichten Dokumenten sollten dort neue energieeffiziente Anlagen installiert werden, die die CO₂-Emissionen des Ölfeldes um 250.000 Tonnen jährlich reduzieren. Doch als ein Reporter des ZDF das Ölfeld besuchte, konnte keiner der dort arbeitenden Mitarbeiter von den angeblichen Anlagen berichten. Ein langjähriger Mitarbeiter erklärte, er habe dort nie etwas Derartiges gesehen.

Die Dokumente, die das Projekt belegen sollten, führten das Team schließlich zu einer angeblichen Firmenzentrale. Doch an den angegebenen Koordinaten fand sich nichts weiter als ein verlassener Hühnerstall. Solche und ähnliche Widersprüche zogen sich durch mehrere der überprüften Projekte.

Alte Anlagen als neue Klimaschutzprojekte 

Ein besonders problematisches Muster zeichnete sich bei der Untersuchung der Projekte ab: Viele der angeblich neuen Anlagen existierten offenbar bereits vor der Antragstellung. Satellitenbilder und weitere Beweise belegen, dass mehrere der als „neu“ eingereichten Projekte schon Jahre zuvor in Betrieb genommen worden waren. Es ist wichtig, dass ein Klimaschutzprojekt strenge Verifizierung und spezifische Kriterien erfüllt, um CO2-Zertifikate ausstellen zu können.

Ein Beispiel ist ein Projekt unter der Bezeichnung BZIA, das laut Anträgen im Jahr 2020 begonnen haben soll. Die Anlage fängt Gase auf, die während der Ölförderung freigesetzt werden, und verflüssigt sie für den Weitertransport. Doch Satellitenaufnahmen zeigen, dass die Anlage bereits 2019 vollständig errichtet war und in Betrieb stand.

Ein weiteres Projekt in Xinjiang, das als Klimaschutzmaßnahme präsentiert wurde, existierte laut der Beschilderung vor Ort sogar schon seit 2014. Insgesamt identifizierten die Ermittler mindestens 16 ähnliche Fälle, bei denen bestehende Infrastruktur als neue Projekte ausgegeben wurde.

Fragwürdige Firmen und Identitätsdiebstahl 

Die Recherchen deckten zudem auf, dass viele der in den Projektanträgen genannten Firmen entweder nicht existieren oder fragwürdige Angaben machten. Reporter besuchten mehrere Adressen, die in den Anträgen als Firmensitze angegeben waren. Anstatt aktive Unternehmen vorzufinden, stießen sie jedoch häufig auf leere Bürogebäude, Wohnhäuser oder sogar Nicht-Existenz der angeblichen Firmen. 

Klima Gefälschtw Projekte für Emissionsreduktion

Besonders brisant: Ein chinesisches Unternehmen wandte sich in einem Brief direkt an das deutsche Umweltbundesamt und erhob den Vorwurf des Identitätsdiebstahls. Die Firma gab an, dass fünf Projekte in ihrem Namen eingereicht worden seien – ohne ihre Zustimmung. Es bestehe zudem die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Dokumente gefälscht wurden. Dies war einer der ersten konkreten Hinweise, dass die vorliegenden Unregelmäßigkeiten kein Zufall waren, sondern Teil eines möglicherweise systematischen Betrugs. 

Die Rolle der Prüffirmen 

Im Fokus der Ermittlungen stehen auch die privaten Prüffirmen, die für die Validierung und Verifizierung der Projekte verantwortlich sind. Ein CO2-Zertifikat ist ein Nachweis für die Reduzierung von CO2-Emissionen durch zertifizierte Klimaschutzprojekte. Zwei deutsche Unternehmen, Müller-BBM Cert und Verico SCE, überprüften laut Recherchen einen Großteil der fragwürdigen Projekte. Dabei treten in den Berichten der Prüfer zahlreiche Ungereimtheiten auf.

Ein Beispiel ist das Projekt EQBT, bei dem laut den Prüfberichten sechs Speichertanks und zwölf Generatoren installiert sein sollten. Doch Satellitenbilder und Fotos zeigen lediglich vier Tanks und vier Generatoren. Experten halten es für höchst unwahrscheinlich, dass solche Diskrepanzen bei einer tatsächlichen Vor-Ort-Inspektion übersehen worden wären.

Müller-BBM Cert und Verico SCE wiesen jegliches Fehlverhalten zurück. Dennoch hat die Berliner Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen und Geschäftsräume der beiden Firmen sowie einer weiteren Prüfstelle durchsucht. Der Verdacht: gewerbsmäßiger Betrug.

Eine undurchsichtige Struktur 

Die Spur des Betrugs führt auch zu einem chinesischen Unternehmen namens Beijing Karbon New Energy Technology. Diese Firma steht im Zentrum zahlreicher fragwürdiger Projekte und soll ein Netz aus Tochtergesellschaften und Partnern aufgebaut haben, das für die Antragstellung verantwortlich war. Recherchen zeigen, dass Beijing Karbon in mindestens 28 Projekten involviert war. Unternehmen können mit Emissionsrechten handeln, indem sie CO2-Zertifikate kaufen, verkaufen und die von der EU begrenzten Mengen verwalten. Doch bei einer Anfrage vor Ort in Peking verweigerten Vertreter des Unternehmens jede Auskunft.

Brisant ist auch, dass Beijing Karbon Berichten zufolge Geschäftspartner in China dazu aufforderte, nicht mit westlichen Medien zu sprechen. Es hieß, westliche Berichterstattung sei darauf ausgerichtet, chinesische Projekte zu diskreditieren.

CO2-Zertifikate: Ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel

CO2-Zertifikate sind ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Klimawandel. Sie ermöglichen es Unternehmen, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig ihre eigenen CO2-Emissionen zu kompensieren. Als marktwirtschaftliches Instrument bieten sie einen Anreiz, die Emissionen zu senken und in umweltfreundlichere Technologien zu investieren. CO2-Zertifikate sind ein zentraler Bestandteil des Emissionshandels und können Unternehmen dabei unterstützen, ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Durch den gezielten Einsatz von CO2-Zertifikaten wird der Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft gefördert und ein wichtiger Beitrag zum globalen Klimaschutz geleistet.

Konsequenzen und politische Reaktionen auf Emissionen

Die Enthüllungen haben inzwischen sowohl in Deutschland als auch international hohe Wellen geschlagen. Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen 17 Verdächtige, darunter leitende Angestellte der Prüffirmen. Das Umweltbundesamt hat 45 der 66 Projekte unter Verdacht gestellt und arbeitet daran, Zertifikate zurückzuziehen. Neue Anträge für das Programm werden vorerst nicht mehr genehmigt.

Die politische Opposition fordert strengere Kontrollmechanismen und eine lückenlose Aufarbeitung. Kritiker werfen den Behörden vor, die Schwachstellen im System zu spät erkannt zu haben. Die EU reguliert die Angebot-Nachfrage-Dynamik auf dem Markt, indem sie die Menge an verfügbaren Emissionszertifikaten anpasst, um Preisschwankungen zu steuern.

Ein zerstörtes Vertrauen 

Die Enthüllungen rund um das CO₂-Zertifikatesystem werfen ein düsteres Licht auf die Bemühungen um internationalen Klimaschutz. Statt fossile Industrien nachhaltiger zu machen, scheint das System Betrügern ermöglicht zu haben, aus dem Nichts hunderte Millionen Euro zu schöpfen. Der Schaden für die Glaubwürdigkeit solcher Klimainstrumente ist immens.

Die Kostendynamik der Emissionsrechte und die Einflussfaktoren auf den CO2-Preis, wie politische Rahmenbedingungen und Marktentwicklungen, spielen eine entscheidende Rolle bei der Preisentwicklung und den Investitionen in klimafreundliche Technologien.

Was bleibt, ist die dringende Notwendigkeit, die Kontrollmechanismen zu reformieren und sicherzustellen, dass derartige Betrugsmaschen in Zukunft nicht wiederholt werden können.

Initiative „Klimabetrug Stoppen“ im Einsatz

Die Initiative „Klimabetrug Stoppen“ (IKS) ist ein Zusammenschluss von 66 Unternehmen und Verbänden aus der Branche der erneuerbaren Energien. Ihr zentrales Anliegen besteht darin, den Klimaschutz im Verkehrssektor zu stärken und Investitionen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen zu fördern.

Ein Kernanliegen der Initiative ist die Aberkennung von THG-Quoten, die auf Grundlage gefälschter UER-Projekte oder falsch deklarierter Biokraftstoffe vergeben wurden. Die daraus resultierenden Klimaschäden sollen durch tatsächliche Klimaschutzmaßnahmen ausgeglichen werden.

Darüber hinaus setzt sich die IKS für mehr Transparenz bei kompensationspflichtigen Unternehmen und einen klar geregelten Handel mit THG-Zertifikaten ein. Dies ist besonders brisant für THG-Händler, die aufgrund vermeintlich gefälschter Ausgleichszertifikate aus dem Ausland zunehmend geringere THG-Prämien an E-Fahrzeughalter weitergeben können.

Der Missbrauch durch gefälschte Klimaschutzprojekte und falsch deklarierte Biokraftstoffe führt zu Schäden in Milliardenhöhe. Diese illegalen Praktiken verzerren den Wettbewerb und sabotieren ehrliche Bemühungen, den Klimaschutz voranzutreiben. Wirkaufendeinethg.de unterstützt die Ziele der Initiative „Klimabetrug Stoppen“ daher uneingeschränkt.

Fazit

Die Enthüllungen legen deutliche Schwachstellen und systematischen Betrug im CO₂-Zertifikatesystem offen. Mit den vorliegenden Informationen ist es unerlässlich, dass die Regierung nicht nur Reformen und schärfere Kontrollen einführt, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen gegen Verantwortliche einleitet. Nur so kann das Vertrauen in den Klimaschutz und einen fairen Emissionshandel wiederhergestellt werden.